Schnaps, Luz oder einfach fertig?

Die Gewinnerin des 2. Concours du Praliné à l’eau-de-vie steht fest: Ursula Schmid von der Confiserie Speck in Zug hat die Jury mit ihrer Kreation «Little Pear Crumble» überzeugt. Die weiteren Podestplätze gehen in den Thurgau und nach Zürich.

Von Lucas Huber

31. Januar 2022

Genusskultur

Die Belgier haben das Bier, die Briten den Tee, die Amerikaner ihre Süssgetränke. Und die Schweizer? Unbestrittenes, aber nicht unumstrittenes Nationalgetränk ist das «Kafi fertig» alias Kaffischnaps alias Kafi Luz.

 

Durch ein Kafi fertig

muss man die Zeitung lesen können. Das ist die wichtigste Faustregel. Womit schon ziemlich viel gesagt ist – und doch eigentlich noch gar nichts. Ein Kaffee, durch den sich eine Zeitung lesen lässt, ist ein schaurig wässriges Gebräu. Nicht in der Zentralschweiz, der mutmasslichen Wiege des Kaffees mit Schnaps. Niemals würde man hier auch nur ein schlechtes Wort über den Kafi fertig verlieren. Denn der ist hier Genussmittel, Kult, Kultur und Galionsfigur gleichermassen.

Und um Galionsfiguren ranken sich so manche Mythen – und nicht weniger Regeln. Jede Region, ja fast jeder Landgasthof im Land hat sein eigenes «Kafi fertig», sein eigenes Rezept – und seine ureigene Überzeugung, das beste Kafi fertig zu kredenzen. Ja, «das» Kafi, zumindest in der Zentralschweiz, ist ein Neutrum.

Zwar wird er auch hier nicht mehr in jenen Mengen getrunken wie einst. Die Bilder der vorbereiteten Gläser, die zu Hunderten die Theken bedeckten, sind Vergangenheit. Genauso wie der Inhalt der 25-Liter-Standflaschen Schnaps, die sich in den einschlägigen Kneipen wöchentlich in Kafi fertig auflösten. Wer damals im Herzen der Schweiz einen Kaffee bestellte, der meinte Kafi fertig – und der bekam Kafi fertig.

Vielerorts nennt sich dieser übrigens Kafi Luz, während Luz die Abkürzung für Luzern ist. Oder Luzifer, wie manch einer behauptet: Teufelszeug eben. Wobei der Drink in Luzern selbst Kafi Träsch heisst. Ganz in der Nähe, im Entlebuch, liegt wahrscheinlich auch der Ursprung des alkoholisierten Kaffeegetränks. Im 18. Jahrhundert war man hier dem Alkohol dermassen zugetan, dass die Behörden ein Brenn- und Trinkverbot erliessen.

Füchse, die die Entlebucher waren, «versteckten» den Gebrannten kurzerhand im Kaffee. Hier findet seit 2013 die jährliche Entlebucher Kaffee-Schnaps-Wanderung statt. Mit dem eigenen Kaffeeglas bewehrt führt die Wanderung über viereinhalb Kilometer zu sieben Stationen, wo die Teilnehmer regionale Spezialitäten und natürlich eine Vielfalt an veredeltem Kaffee erwartet.

Ein paar täler weiter,

im Kanton Obwalden, nennt man den Kaffee Schnaps derweil Cheli, in gewissen Regionen Berns hingegen Bätzi, andernorts wiederum ist er der Kafi Gügs oder – ganz und gar ungekünstelt – der Kaffee Schnaps. Und damit sind wir bei der Seele des Kafi fertig: der Spirituose. Ob Gügs, Bätzi, Luz oder fertig: Immer geht es um die Spirituose im Kaffee. Der Kaffee selbst ist Nebensache, Sparringpartner, wohltemperierter Statist oder ebenjenes Entlebucher Mäntelchen des Schweigens.

Und natürlich geht es nicht um irgendeinen Schnaps, sondern klassischerweise um sogenannten Träsch, also Apfel- oder Birnenbrand. Der wurde einst aus den Obstresten gebrannt, die nach dem Mosten anfielen. Der Kaffee Schnaps wird in einem Glas serviert. Weil darin mehr Platz ist als in einer Tasse, heisst es – und weil Gläser einst in Restaurants und Cafés verbreiteter waren als Tassen.

Wer sich bei der Zubereitung eines Kafi fertig nun also nicht mit Rezepten und Mengenangaben herumschlagen möchte, dem sei folgende Faustregel ans Herz gelegt: Man nehme ein klassisches Kaffeeglas, lege zwei Würfelzucker hinein, begiesse mit Kaffee, bis der Zucker nicht mehr sichtbar ist, ergänze nun mit Schnaps, bis der Zucker wieder zum Vorschein komme, und fülle das Ganze mit heissem Wasser. Nun gilt es lediglich gerade solange zu warten, das man sich beim Trinken den Mund nicht verbrennt.

Das ist das Basisrezept, der Ur-Kafi-fertig, wenn man so will. Denn die Variationen sind fast unendlich. Im italienischsprachigen Tessin, wo der Kaffee eher mit Grappa veredelt wird, gibt es den Corretto. Derweil die Heissi Oma ein Kaffee mit Eierlikör und Sahnehäubchen ist, versteckt sich hinter dem Kafi Füdliwärmer einer mit einer Mischung aus Apfel, Aprikose und Zwetschge. Beim Kafi Sprängstoff ist der Alkoholanteil besonders hoch, und beim Kafi Chrüter kommt ein Kräuterschnaps zum Zug.

Immer beliebter, wenn es um Schnapskaffees geht, sind Zwetschgenbrände. Die sind mehrheitsfähiger als Kernobstler, weil sie fruchtiger duften und darum einen lieblicheren Gesamteindruck hinterlassen. Zwetschgen Luz nennt sich diese Kreation dann offiziell, soweit überhaupt von «offiziell» die Rede sein kann. Als «Holdrio» bildet er auch eine Variante mit Hagebuttentee. Ein Klassiker mit besonderer Popularität ist schliesslich das Schümli-Pflümli, ein Kaffee mit Zwetschgenbrand (Pflümli) und einem ordentlichen Berg Schlagsahne (Schümli)

Powärmer, Sprengstoff, Heisse Oma: Wer genau hinhört, erkennt schnell, wo und zu welchen Gelegenheiten Kaffee Schnaps besonders beliebt sind. Natürlich, als Digestiv nach dem Essen, als Schlummertrunk, als Stimmungsheber beim Vereinshock. Schliesslich umlullt das Kultgetränk Körper und Seele. Und das tut es vor allem als Wärmespender und Lustigmacher an den Skipisten des Landes. Und es tut dies – wie könnte es anders sein – an der Fasnacht.

Ob nun Kaffi Luz, Kaffifertig oder Kaffi Schnaps: Es gibt ihn in jeder guten Beiz.

 

 

 

DIE GEWINNERIN

Ursula Schmid hatte bereits an der ersten Austragung des Wettbewerbs im Jahr 2022 teilgenommen. Sie belegte damals den zweiten Platz. Erster wurde vor zwei Jahren ihr Produktionsleiter: Markus Waser. Das freut besonders Peter Speck, in dessen Confiserie in Zug beide arbeiten: «Ich bin sehr stolz auf die Leistung von Ursula Schmid!» Natürlich wird das Praliné ins Sortiment aufgenommen.

«Unser Herz schlägt für die Kirsche, aber wir können auch Birne!», meint er mit einem Schmunzeln. Die Schwyzerin Ursula Schmid freute sich sehr über den ersten Preis, umso mehr als sie nicht mit einem Sieg gerechnet hatte. Wenn Ursula Schmid von ihrem Beruf zu sprechen beginnt, spürt man ihre Leidenschaft. «Mir gefällt das Kreative. Hier kann ich dies ausleben! Es ist schön, kann ich mit den Kuchen, Torten und Pralinés den Menschen Freude bereiten.»

 

DIE RANGLISTE

1. Rang: Ursula Schmid von Speck Genuss AG in Zug mit «Little Pear Crumble»mit rotem Williams (40 % vol.) von der Brennerei Heiner’s Destillate in Zug.
Das Praliné überzeugt mit einer harmonischen und einzigartigen Verbindung von Ästhetik, Geschmack und Textur. Die Konsistenz vereint Knusprigkeit, Zartheit und Samtigkeit auf eine bemerkenswerte Weise. Darüber hinaus ist das Aroma perfekt ausgewogen.

 

2. Rang: Lucia Röllin von der Confiserie-Bäckerei Mohn AG in Sulgen (TG) mit «Poire W cristallisée» mit Brennmeister Willams, Möhl (40 % vol.) von der Mosterei Möhl in Arbon
Bei diesem Praliné steht die Willamsbirne im Mittelpunkt. Die süssliche und sanfte Note des Williamsbirnen-Aromas harmoniert perfekt mit der dunklen Schokolade.

 

2. Rang: Lucia Röllin von der Confiserie-Bäckerei Mohn AG in Sulgen (TG) mit «Poire W cristallisée» mit Brennmeister Willams, Möhl (40 % vol.) von der Mosterei Möhl in Arbon
Bei diesem Praliné steht die Willamsbirne im Mittelpunkt. Die süssliche und sanfte Note des Williamsbirnen-Aromas harmoniert perfekt mit der dunklen Schokolade.

 

Der Wettbewerb

Der Wettbewerb wurde zum zweiten Mal durchgeführt. Er wurde vom Schweizerischen Bäcker- Confiseurmeister-Verband (SBC – www.swissbaker.ch) und von DistiSuisse (www.distisuisse.ch), der wichtigsten Schweizer Spirituosen Prämierung, ins Leben gerufen. Initiant ist der renommierte Foodsensoriker und -journalist Patrick Zbinden.

Die Kriterien

Für den Concours du Praliné à l’eau-de-vie Williams durften ausschliesslich Williamsdestillate, die eaus Schweizer Rohstoffen hergestellt sind, verwendet werden. Die Jury beurteilte unter anderem das Äussere, das Aroma und den Geschmack sowie die Textur
der Pralinés. Darüber hinaus musste ein regionaler Bezug ersichtlich und das Storytelling nachvollziehbar sein.

Die Jury

  • Patrick Zbinden, Jurypräsident, Food-Journalist, unabhängiger Lebensmittel-Sensoriker und «Ambassadeur du pain et chocolat».
  • Victor Egger, AOP/DistiSuisse
  • Lisa Frunz, SBC-Zentralvorstandsmitglied und Verantwortliche Detailhandel, Confiserie Bebié in Luzern
  • Silvan Hotz, SBC-Präsident und Mitinhaber Bäckerei Hotz Rust in Baar
  • Jonas Inderbitzin, Acroscope
  • Peter Jauch, Präsident Schweizer Schnaps Forum
  • Nina Kobelt, Food-Journalistin Tamedia
  • Maximilian Niederberger, Carma in Zürich
  • André Richiger, Mitglied Schweizer Schnaps Forum
  • Rebekka Salzmann, Geschäftsführerin und mehrfach prämierte Barkeeperin
  • Juliana Thöny: Amtierende Weltmeisterin Konditorei-Confiserie, Hotel des Balances in Luzern
  • Naomi Wahl, Leiterin Chocolate Academy von Carma in Zürich
  • Florian Walpen, Vorstandsmitglied Schweizer Schnaps Forum
  • Sina Züger, Zweitplatzierte Konditorei-Confiserie SwissSkills 2022, Richemont Fachschule in Luzern.