Stets auf den besten eingestimmt
Stellt man sich einen Brennmeister alter Schule vor, mit Hermann Röllin stünde er vor einem. Kein reich geschmückter Internetauftritt, keine geistsprühende Marketingkampagne, keine agenturdesignte Etiketten. Sondern den totalen Fokus auf das, was ist. Und das, was ist, ist Kirsch. Logisch eigentlich – im Kirschenland Zug. Dafür schlägt Hermann Röllins Herz, dem Altmeister. Und das von Ehefrau Erika und Sohn Armin, dem Jungspund. Denn die Bauernhofbrennerei Röllin ist ein Familienunternehmen.
Und würde dieses Familienunternehmen nun für ihre Produkte werben – für den «Zuger Wildkirsch» etwa, «Ramsler» oder den «Tiefenbächler» –, ihr Telefon stünde wohl nicht mehr still. So kauft man hier in Notikon bei Baar ZG nämlich noch ein: direkt ab Hof oder per telefonischer Bestellung. «Der beste Kirsch braucht keine Werbung», sagt dazu ein augenzwinkernder Hermann Röllin.
Den besten Kirsch zu brennen, nichts Geringeres ist das Bestreben der Röllins. In der Kirschhochburg Zug. Und wohlwissend, dass die flüchtigen Kirscharomen einzufangen und in der Flasche zu bannen etwas vom Anspruchsvollsten ist, dessen sich ein Brenner stellen kann. «Beim Kirsch ist es wie beim Singen: Man muss sich immer auf die Besten einstimmen», sind sich Vater und Sohn einig.
36 Kirschsorten. Und das Röllinchriesi
Da hilft es, dass die Röllins auf niemanden angewiesen sind, um an ihre Rohstoffe zu kommen. Die Basis für ihre vielfach prämierten Brände legen sie nämlich gleich selbst. Auf fünf Hektaren gedeihen die 470 Hochstammbäume dafür, über 230 davon sind Kirschen, daneben: Zwetschgen, Äpfel, Birnen, Quitten, Mirabellen. «Bei uns», sagt Hermann Röllin schmunzelnd, «bekommt jeder Vogel seinen Anteil.»
Will heissen: «Mit unserem Verständnis von Landwirtschaft und Brennkunst produzieren wir nicht nur allerhöchste Qualität», erklärt Armin Röllin: «So schützen wir auch die Landschaft und leisten einen wichtigen Beitrag zur Biodiversität.» Eine Zahl unterstreicht das besonders deutlich: 36. So viele unterschiedliche Kirschensorten beherbergen Röllins Streuobstwiesen, darunter Rote Lauber, Dollenseppler oder Zopfchriesi. Sogar eine unregistrierte Sorte ist darunter, wild gewachsen, mittelgrosse Früchte, ein einziger Baum. Pragmatisch, wie sie in Notikon sind, nennen sie sie kurzerhand das «Röllinchriesi».
Aus diesen zahlreichen Sorten entstehen über 40 verschiedene Kirschbrände. Manche sind Sorten- und Jahrgangsrein, andere werden bis zur Perfektion verschnitten. Es sind heilige Momente, wenn Hermann Röllin in den Dachstuhl steigt – «in die Schatzkammer», wie er beschwörend sagt –, um mit handverlesenen Glasballons wieder aufzutauchen.
brenner, tüftler, alchemist
So beginnt die Magie, werden aus ohnehin ausbalancierten Destillaten noch ausbalanciertere Blends – und manchmal ebendieser beste Kirsch. Der «Zuger Wildkirsch», 2019 an der DistiSuisse mit Gold geehrt, mischte er aus Destillaten der Jahrgänge 2006 und 2014. Wie ein Alchemist tüftelt er dafür, pröbelt, verrührt, tastet sich heran – und probiert natürlich unentwegt. Über 400 Liter Kirsch habe er in seinem Leben getrunken, sagt er, zuckt mit den Schultern und grinst: «Und ich bin immer noch da».
Und das bleibt er auch, selbst mit 72 Jahren. Mit dem einzigen Auftrag: im Einklang mit der Natur den besten Kirsch zu erschaffen. Auf seinem Hof in Notikon, auf dem seit 1858 gebrannt wird und den sein Grossvater 1918 erwarb. Mit Armin Röllin, 39, steht nunmehr die vierte Generation am Brennhafen. Wie sein Vater ist auch er ein Brenner alter Schule: traditionsbewusst, naturverbunden – und stets dem besten Kirsch auf der Spur.
Das Bild oben stammt von Starfotograf Pit Buehler. Er fotografierte Hermann Röllin für sein 2017 erschienenes «Baarer Heimatbuch».
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